Die Schlange

Die Schlange: Das Urprinzip der Einheit

​Die Schlange, ein Wesen, das in der menschlichen Vorstellung eine derart gespaltene Rolle einnimmt, ist faszinierend: In der Medizin sehen wir sie auf dem Äskulapstab als Symbol der Heilung und Erneuerung. Gleichzeitig aber, in der biblischen Geschichte vom Garten Eden, ist sie der Inbegriff der Versuchung, die uns in die Sünde stürzt. Wie kann ein und dasselbe Symbol für so gegensätzliche Konzepte stehen? Ich glaube, die Antwort darauf liegt in einer tief verborgenen, inneren Energie – der Kundalini. Sie hat nichts mit Gut oder Böse zu tun, sondern mit der Frage, wie wir unsere wahre Natur wahrnehmen und ob wir die Kraft, die in uns schlummert, als Freund oder Feind betrachten.

Vom inneren Wissen zum äußeren Dogma

​In vielen Kulturen wird die Schlange als ein Zeichen für innere Transformation und Weisheit gesehen. Sie gilt als Hüterin von Geheimnissen, die nur jene erlangen, die den Weg nach innen beschreiten. Genau dieses Prinzip symbolisiert die Kundalini-Energie, die in jedem von uns schlummert. Im Gegensatz zum Westen, wo die Schlange oft gefürchtet wird, wird sie in östlichen Kulturen – wie die Naga in Indien oder der Drache in China – als heilige, göttliche Kraft verehrt, die Glück und Weisheit bringt.

​Ich glaube, dass es hierbei jedoch eine wesentliche Spaltung gab: Während die Schlange im Garten Eden dazu angehalten hat, die „Frucht der Erkenntnis“ zu essen – eine Aufforderung, unser Bewusstsein zu erweitern – hat der Mensch anschließend seine eigene Einheit aufgegeben. Die Trennung zwischen den männlichen und weiblichen Prinzipien, die in jedem von uns wohnen, wurde in der biblischen Geschichte bildlich dargestellt, indem Adam eine Rippe entnommen wurde, aus der das weibliche Wesen erschaffen wurde. Diese symbolische Aufspaltung der inneren Kraft war der Beginn der Dualität und des Urteils über „Gut“ und „Böse“. Eva, die in dieser Erzählung das weibliche, emotionale Prinzip verkörpert, wurde für die „Sünde“ – das heißt, für die Verfehlung der Einheit – verantwortlich gemacht. Mit ihr traten die Gefühle in den Vordergrund, die von nun an die Erkenntnis bewerteten und zu Schuld und Scham führten. Von diesem Moment an wurde die Kraft, die eigentlich zur Harmonie führen sollte, entweder verteufelt oder als äußeres Dogma verehrt.

Die Gesellschaft als Blockade

​Das eigentliche Problem, das den Aufstieg der Kundalini-Energie behindert, beginnt im sechsten Chakra, dem „dritten Auge“. Hier werden unsere Glaubenssätze, unsere Ängste und unsere Denkweisen erzeugt. Dieses Chakra, der Sitz der Intuition und der Erkenntnis, wird durch unsere Konditionierung manipuliert. Anstatt als Tor zur Wahrheit zu dienen, wird es zum Ursprung der Wertung. Wir versuchen, die Welt zu bewerten und zu formen, anstatt sie so anzunehmen, wie sie ist.

​Diese falschen Glaubenssätze, die im sechsten Chakra entstehen, werden nach unten auf die anderen Energiezentren projiziert. Im fünften Chakra, dem Kehlchakra, manifestiert sich diese mentale Blockade in der Kommunikation. Statt unsere authentische Wahrheit zu sprechen, erzeugen wir eine Fassade und versuchen, zu manipulieren, um unseren Ängsten gerecht zu werden. Im Herzchakra, dem Zentrum der Liebe, verhindert die Projektion unserer Ängste, dass wir wahre, bedingungslose Liebe empfinden. Wir lieben nur unter bestimmten Umständen und projizieren unsere Gefühle auf andere, um die innere Leere zu füllen.

​Im dritten Chakra, dem Zentrum unserer persönlichen Macht, potenziert sich diese Blockade. Die dortige Macht wird nicht in Selbstverwirklichung gelebt, sondern in Kontrolle über andere, weil unsere Ängste uns dazu bringen, die eigentliche innere Kraft zu verdrängen. Die emotionale Ebene, die im zweiten Chakra verortet ist, wird von den nach unten projizierten Ängsten blockiert, was dazu führt, dass Gefühle nicht mehr frei und uneingeschränkt zugelassen werden können. Schließlich mündet diese Kaskade im Wurzelchakra, dem Fundament unserer Existenz. Das Streben nach äußerer Stabilität und Sicherheit, die Jagd nach materiellem Halt und gesellschaftlicher Anerkennung, sind nicht der Ursprung, sondern die sichtbare Folge der Ängste, die im Geist erzeugt werden.

​Wenn wir das gesamte System nun von unten nach oben betrachten, wird die verheerende Konsequenz sichtbar: Durch all diese nach unten projizierten und nach oben gebrochenen Energien kommt kaum noch Kraft in den höheren Chakren an. Das siebente Chakra, das uns mit der universellen Quelle und der reinen Bewusstseinskraft verbindet, wird quasi von den unteren Chakren abgetrennt. Diese Isolation ist das Ergebnis der Wertung, die im sechsten Chakra begann, und erklärt, warum der Zustand der Einheit so schwer zu erreichen ist.

Meine Reise: Wenn alles im Außen zusammenbricht

​Lange Zeit war auch ich, wie so viele, auf der Suche nach äußerer Sicherheit und Stabilität. Ich suchte sie in Beziehungen, im Beruf und in materiellen Dingen. Ich habe das System gespielt, das uns alle konditioniert. Doch das, was ich im Außen suchte, war nie von Dauer. Es gab eine lange, schmerzhafte Phase, in der diese äußeren Strukturen eine nach der anderen zusammenbrachen. Alles, worauf ich mich verlassen hatte, fiel weg, und ich hatte keine andere Wahl mehr, als mich nach innen zu wenden.

​In dieser Phase der Zerstörung fand mein Kundalini-Prozess statt. Die schlafende Energie begann, sich zu bewegen. Es war keine bewusste Entscheidung, sondern eine unausweichliche Folge. Die Schlange, die ich gesucht hatte, war nicht im Außen zu finden; sie war einfach da, in mir. Mit der Zeit spürte ich, wie sich die Energie durch die unteren Chakren bewegte und die Blockaden, die ich mir durch meine Ängste aufgebaut hatte, löste. Der wahre Wandel fand statt, als die Energie in mein drittes Auge aufstieg. Plötzlich sah ich die Welt nicht mehr durch eine Linse der Wertung, sondern als ein einziges, zusammenhängendes System. Ich war in der Lage, scheinbar unzusammenhängende Dinge zu verbinden und eine tiefe, logische Ordnung zu erkennen. Es war eine Erkenntnis, die einfach da war – ohne, dass ich sie mir beweisen musste.

Der Ruf der Schlange: Eine Einladung zur Ganzheit

​Die Schlange ist in diesem Licht weder Dämon noch eine Gottheit, die wir anbeten müssen. Sie ist das Urprinzip, das uns daran erinnert, dass die wahre, universelle Energie bereits in uns schlummert. Die westliche Dämonisierung und die östliche Externalisierung sind zwei Wege, wie die Menschheit die Verantwortung für ihre eigene innere Kraft vermieden hat. Doch die Schlange fordert uns auf, aufzuhören, uns selbst und unsere Welt ständig zu bewerten. Sie lädt uns ein, die Ängste, die sich von unserem Geist bis in unser Wurzelchakra projiziert haben, loszulassen. Diese Erfahrung ist ein Beweis dafür, dass der Kundalini-Aufstieg nicht nur eine spirituelle Theorie ist, sondern ein zugänglicher Weg, die Einheit in sich selbst wiederzuentdecken. Der wahre Aufstieg der Kundalini-Energie wird durch nichts so sehr behindert wie durch das Ego selbst und seine Projektion der Dualität, die im Versuch begründet ist, Stabilität und Sicherheit zu schaffen. Die Angst, die dabei entsteht, ist die größte Barriere, die uns von unserer wahren Natur trennt.

​Vielleicht ist das, was ich erlebt habe, nicht nur eine Einladung an mich, sondern an uns alle. Wenn wir als Individuen die Projektion unserer Ängste auf die Welt einstellen und die bedingungslose Liebe in uns wiederfinden, dann wird auch die kollektive Kundalini-Energie der Erde aufsteigen. Es ist der erste Schritt zur Heilung nicht nur unseres eigenen Geistes, sondern auch des Planeten.

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